ZEITERFAHRUNG TRANSFORMIEREN

ZEITMANGEL ALS ZEITKRANKHEIT
Immer mehr Menschen empfinden einen Mangel an Zeit, dementsprechend eine Zunahme an Eile, Hektik und Druck, was wiederum negativen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden hat. In gewisser Weise können wir von Zeitmangel als Zeitkrankheit und chronischer Krankheit sprechen. Nach Ansicht verschiedener Experten ist dies gänzlich oder teilweise die Ursache der meisten Krankheiten .1

WELCHE ARTEN VON ZEIT GIBT ES?

A) Physikalische Zeit (Ereigniszeit)
ist das Auftreten bzw. die Abfolge physikalischer und erfahrungsbezogener Ereignisse, wie z.B. die Bewegungen der Himmelskörper.

B) Gemessene Zeit
Durch verschiedene Verfahren gemessene physikalische Zeit, heute oft Uhrzeit genannt. Ereignisse werden durch Zahlen gekennzeichnet z.B. zu Zwecken der Identifikation, Koordination und Berechnung.

C) Innere/ subjektive/ persönliche Zeit (gefühlte Zeit)
Die persönliche Zeiterfahrung eines Menschen, die von vielerlei Faktoren beeinflusst werden kann und sehr stark vom Bewusstheitslevel abhängt. Somit kann sie Erfahrung und Leistung erheblich erweitern oder begrenzen. Hier setzt auch das meditative bzw. holistische Zeitmanagement an.

LINEARE ZEITWAHRNEHMUNG (VGZ)

Verinnerlichte lineare Zeit und ihre Folgen
Die im Westen seit über 300 Jahren am meisten verbreitete – und sich unterdessen auch global epidemisch ausbreitende – persönliche Zeitwahrnehmung, ist die einer unaufhaltsam sich horizontal von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft (VGZ) bewegenden Zeit.

Zeit wird als absolute physikalische Realität definiert und bietet damit die Grundlegung der “objektiven” – als vom Bewusstsein unabhängig betrachteten – Zeitwahrnehmung.
„Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand.“
(Isaac Newton: Mathematische Prinzipien der Naturlehre, London 1687)

Von diesem Glaubenssatz aus betrachtet spielt es daher keine Rolle, wie jemand Zeit empfindet, was er denkt, fühlt oder tut oder wie er Zeit versteht – Zeit verändert sich nicht, man kann sich nur an diese objektive Realität anpassen und es irgendwie schaffen, mit dem Fluss der Zeit Schritt zu halten.

Kein Wunder, dass – wie verschiedene Untersuchungen zeigen – die mit linearer Zeitwahrnehmung einhergehenden Phänomene wie Zeitdruck, Angst und Hilflosigkeit für die meisten Menschen zu den größten Streßquellen gehören. Der epidemisch falsche Umgang mit Zeit hat schwerwiegende Folgen:

“Viele Krankheiten – vielleicht sogar die Mehrzahl aller Krankheiten – werden entweder vollkommen oder doch zumindest teilweise durch unsere falsche Art der Zeitwahrnehmung verursacht. … Ich bin überzeugt, dass wir uns krank machen und zerstören können, wenn wir Zeit als linear und nur in eine Richtung fließend wahrnehmen.” (Larry Dossey, Die Medizin von Zeit und Raum)

Lineare Zeit ist eine Konditionierung
Übliches Zeitmanagement öffnet nicht die Konditionierung der linearen Zeitwahrnehmung, sondern versucht in ihrem Rahmen das Beste aus den gegebenen Beschränkungen zu machen. Meditatives oder holistisches Zeitmanagement geht davon aus, dass die – wie entwicklungspsychologische Untersuchungen zeigen – in westlichen Kulturen im Alter von 7 Jahren voll ausgebildete lineare Zeitwahrnehmung eine gewohnheitsmäßige Konditionierung ist.
Woher wissen wir, dass lineare Zeit keine objektive Realität, sondern eine Erfindung ist?

Viele Menschen haben schon Erfahrungen gehabt des Stillstehens von Zeit bzw. von nicht auf normale Weise dahinfliessender Zeit.
Spitzensportler zum Beispiel haben oft von einem Bereich berichtet, in der keine lineare Zeit herrscht und in dem sie ihren Körper und ihre Sportart perfekt beherrschen. Auch viele Künstler kennen einen stillen, friedvollen und doch überaus produktiven zeitlosen Raum, der es ermöglicht, Ungewöhnliches zu vollbringen. Zeitlosigkeit und alternative Zeitflussempfindungen sind keineswegs Exklusiverfahrungen von Mystikern.

UNTERSCHIEDLICHE ZEITERFAHRUNG

Zeit kann also auf sehr unterschiedliche Weise wahrgenommen werden. Um unsere gewohnheitsmäßige lineare Zeitwahrnehmung bewusst zu verändern, müssen wir sie so sehen wie sie ist, ohne aber in ihren Begrenzungen stecken zu bleiben.
Ausgehend von der gewöhnlichen, von Punkt zu Punkt fortschreitenden Ursache-Wirkung-Abfolge, gehen wir über zu einem würdigenden Gewahrseins des Zeitigens und gelangen zu der Erfahrung/Erkenntnis, dass “alles Weitergehen von Ort zu Ort und von Erfahrung zu Erfahrung, das das Bild einer ausgedehnten weiten Welt bestätigt, … sich in Wahrheit als eine Abfolge von gezeitigten Erfahrungen am selben ‘Fleck’ (ereignet).” (Tarthang Tulku)2

Zeitdruck durch gestörten Energiefluß
Untersuchungen legen nahe, dass neben anderen Faktoren wie auf Abneigungen und Vorlieben beruhende Gewohnheiten, unklare Prioritäten, Fehlen einer effektiven Zeitplanung der Hauptfaktor für Zeitdruck aus dem Gleichgewicht geratener Energiefluß ist. Vor allem unterdrückte Gefühle und Erfahrungen als Rückstände der Vergangenheit bringen das Gefühl von Geschwindigkeit und Druck der Zeit hervor und nicht äußere Kräfte oder Ereignisse.

Wenn Menschen ein aufkommendes Gefühl nicht fühlen und ihm damit nicht die Möglichkeit geben, sich auszubreiten und aufzulösen, sich statt dessen davon abwenden, wird die Energie unterdrückt und damit das Herzenergiezentrum geschwächt. Zudem fließt zu viel Energie in den Kopf und im Kehlzentrum entsteht Unruhe und Spannung.

“Anstatt Erfahrungen direkt aufzunehmen, unsere Empfindungen gänzlich zu verarbeiten und sie mit den Gefühlen des Herzens in Einklang zu bringen, verfangen wir uns in Denkmustern über unsere Erfahrungen, klassifizieren sie und schließen daraus auf ihre Beschaffenheit. … In diesem Zustand sind unsere Gefühle in Wirklichkeit nur noch Gefühle aus zweiter Hand, Interpretationen geistiger Bilder, die wir dann für Erfahrungen halten. Wir leben ‘in unseren Köpfen’ … Das hat zur Folge, dass wir uns nahezu ständig unzufrieden fühlen. Es ist eine Art subtile Angst, die im Kehlzentrum als eine gewisse Spannung empfunden werden kann. … Ehe das Kehlzentrum nicht ruhig geworden ist und die feinstofflichen Energien nicht im gleichen Maße auf Herz und Kopf verteilt werden, können wir nicht richtig mit unseren … echten Gefühlen in Verbindung treten. …“ (Tarthang Tulku, Kum Nye, Abschnitt “Atmen”)3

ÜBUNGSSEQUENZ „ZEITERFAHRUNG TRANSFORMIEREN“

Diese Übungssequenz stammt aus der multidimensionalen Energiearbeit und ist die erste von sechs Sequenzen zur Transfomation der Zeiterfahrung. Weitere Sequenzen werden in zukünftigen Blogbeiträgen dargestellt.

Level I
1 Bewusstes Atmen
2 Kum Nye Übung 77 “Strom der Energie”
3 Kum Nye Übung 22 “Fliegen”
4 Bewusstes Atmen und Uhrzeitbeobachtung
5 Zeiterfahrung: Zeitbenennung

1 Bewusstes Atmen
Atme leicht und sanft gleichermaßen durch Mund und Nase, die Zungenspitze leicht den Gaumen berührend, Mund leicht geöffnet. Lasse den Atem immer gleichmäßiger und kontinuierlicher werden,
Übe dies 5 Minuten lang und prüfe dann, ob sich das Zeitempfinden verändert hat: war jede Minute gleich lang? Haben sich Druck oder Besorgnis vermindert?
Ansonsten praktiziere dies so oft am Tag, wie du dich daran erinnerst.

2 Kum Nye Übung 77 “Strom der Energie”

Setze dich mit gekreuzten Beinen und geradem Rücken auf ein Sitzkissen. Du kannst dich auch auf einen Stuhl setzen, mit geradem Rücken und ohne dich anzulehnen. Die Hände ruhen dabei auf den Knien.
Drücke die Oberarme an die Körperseiten und hebe die Unterarme mit nach unten gerichteten Handinnenseiten vor dir hoch, sodass sie sich parallel zum Boden befinden. Halte die Finger jeder Hand eng an einander, und beuge langsam die Handgelenke bis die Finger zum Boden zeigen. Halte die Hände etwa eine Minute lang in dieser Stellung, während der übrige Körper entspannt bleibt.

Hebe dann die Hände langsam wieder an, während du die Spannung abnehmen läßt. Fließt eine Energie durch die Handgelenke zum Herzzentrum und zur Wirbelsäule? Lasse alle Empfindungen sich immer weiter ausdehnen.

Lege die Hände wieder auf die Knie und wiederhole danach diese Bewegung noch zweimal, wobei du die gebeugten Handgelenke bis zu 5 Minuten lang hältst.
Sitze dann 5 Minuten still und lasse alle Gefühle sich über deinen Körper hinaus in alle Richtungen ausdehnen.

3 Kum Nye Übung 22 “Fliegen”

Stelle dich mit geradem Rücken hin, die Füße bequem weit auseinander, die Arme entspannt seitlich herabhängend. Beginne nun die Arme langsam seitlich nach oben zu bewegen, bis sie senkrecht sind und die Handoberflächen sich fast berühren. Nimm dir dafür eine ganze Minute Zeit.

Entspanne die Oberschenkel, schließe die Augen und fühle die Körperempfindungen. Bewege jetzt die Arme wieder langsam auseinander, und nimm dir eine volle Minute Zeit, bis sie wieder entspannt an den Seiten herabhängen. Achte während der Bewegung auf die Energie und lasse sie in dein Herzzentrum fließen.

Wiederhole die Übung noch zweimal und lasse die Bewegung noch langsamer werden (etwa 2 Minuten für jedes Heben und Senken). Erkunde dabei den Energiefluß. Lasse die Energie beispielsweise vom Herzzentrum aus durch die Finger nach außen fließen.
Sitze dann 5 Minuten still und lasse alle Gefühle sich über deinen Körper hinaus in alle Richtungen ausdehnen.

4 Bewusstes Atmen und Uhrzeit beobachten
Atme wie in Übungsschritt 1 und beobachte dabei, wie sich der Uhrzeiger oder die Digitalziffern bewegen.
Mache das 5 Minuten lang, und prüfe dann, ob sich das Zeitempfinden verändert hat: war jede Minute gleich lang? Haben sich Druck oder Besorgnis vermindert?

5 Zeiterfahrung: Zeitbenennung
Bei dieser Übung geht es darum zu sehen, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schnell in der Erfahrung auftauchen bzw. die Perspektive wechselt, wenn Zeitpunkte genannt werden wie
vor 10 Minuten
in 10 Minuten
vor einer Stunde
in einer Stunde
heute am frühen Morgen
später heute Abend
gestern
morgen
letzten Mittwoch
nächsten Mittwoch
vor zwei Wochen
in zwei Wochen
letzten Monat
nächsten Monat
letzten Sommer
nächsten Sommer
letztes Jahr
nächstes Jahr
vor 5 Jahren
in 5 Jahren
vor 10 Jahren
in 10 Jahren
vor 25 Jahren
in 25 Jahren

Mache dies mehrmals und stelle fest, inwieweit ein rückwärts und vorwärts Gehen da war: Ist es möglich über vergangene und zukünftige Zeiten nachzudenken, ohne ein Empfinden von rückwärts oder vorwärts zu haben?

Übe diese gesamte Sequenz täglich für drei Wochen und halte in einem Notizbuch fest, inwieweit sich dein Zeitempfinden, dein Gefühlsfluss und der Grad deiner Entspanntheit verändert haben.
Dann kannst du zur Übungssequenz Level II übergehen, die ich demnächst hier darstellen werde.

  1. Siehe z.B. Larry Dossey, Die Medizin von Zeit und Raum ↩︎
  2. Tarthang Tulku, Raum, Zeit und Erkenntnis, S.148 ↩︎
  3. Tarthang Tulku, Selbstheilung durch Entspannung ↩︎

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