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DAS KLOSTER IN DER MONGOLEI

Vorbemerkung:
VORBEMERKUNG: Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine von mir als Co-Autor unter dem Anagramm Martin Weisesath mitverfasste Episode aus dem Buch „Das Vermächtnis – Dokumentation einer Erkenntnisreise“.1

Zum besseren Verständnis des Ganzen sei hier das Vorwort aus dem veröffentlichten Buch zitiert:

Ein Sohn stirbt bereits vor seinem 37. Geburtstag. Eine Mutter macht sich auf die Suche nach den Hintergründen. Ein multidimensionaler Bewusstseinsforscher und Astrologe unterstützt sie dabei, liefert wesentliche Impulse, Eckdaten und Erkenntnisrahmen und betreut das entstehende Forschungs- und Schreibprojekt über die Jahre hinweg.

14 Monate nach dem Tod des Sohnes erhalten die Mutter und der Bewusstseinsforscher, unabhängig voneinander, am gleichen Tag die Botschaft, dass eine Wiedergeburt in Peru erfolgt sei. Diese bemerkenswerte Synchronizität führt zu dem Beschluss, die reinkarnatorischen Hintergründe zu erforschen, und sie beginnen, das Ganze “Das Projekt” zu nennen, eine Bezeichnung, die sie über all die Jahre beibehalten.

Auf der Grundlage der Geburtshoroskope des Verstorbenen und der Mutter werden durch das weiträumig-präzise Gewebe astrologischer Rhythmen und durch astrogeographische Verfahren Eckdaten ermittelt, die durch verschiedene intuitiv-mediale Vorgehensweisen – unter anderem durch Pendeln mittels spezifischer Pendeltafeln – überprüft und verfeinert werden.
Diese Daten der Inkarnationen des Sohnes und der Mutter (teilweise auch anderer Familienangehöriger) und ihre Energiesignaturen über Jahrhunderte bzw. Jahrtausende hinweg werden in übersichtliche Tabellen eingetragen.
In weiterer “Detektivarbeit” werden wesentliche Gegebenheiten
und Ereignisse der jeweiligen Leben, speziell der Leben der letzten
750 Jahre, konkretisiert und ergänzt.

Schließlich werden die einzelnen Lebens-Geschichten und ihr Gesamtzusammenhang in eine literarische Form gekleidet.
Das Unterfangen entwickelt seine Eigendynamik, expandiert, gewinnt an
Komplexität und Hintergründigkeit, und so werden die ermittelten Daten nach und nach in ein umfassendes Modell spiritueller Seelenentwicklung und -organisation sowie energetischer Prägungsmerkmale integriert und kulminieren schließlich in dem großen Erkenntniszusammenhang eines Seelenforschungs-Projekts, wodurch “Das Projekt” eine neue Dimension erhält.

Das von einer Rahmenerzählung begleitete Kaleidoskop von Lebens-Geschichten dokumentiert im Kern die Geschichte zweier verwandter Seelen über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg – genauer gesagt vom
fünften Jahrtausend vor unserer Zeit bis in die heutige Zeit -, ganz im
Sinne der Mahnung des Verstorbenen “Schreib es auf, damit wir es nicht
vergessen!”.

Die schillernden Begriffe Seele, Seelenalter und Seelenorganisation, definiert durch ein sinnvolles Modell 10.000-jähriger spiritueller Entwicklung, dienen als Dreh-und Angelpunkt des vielfältigen Geschehens.
Es entsteht ein Spiegel von Etappen der Menschheitsgeschichte, ein Puzzle von Fragen und Antworten, das Spannungsfeld von Sein und Evolution, das Spiel der Archetypen, das Spiel von Raum und Zeit und Erkenntnis kommen zum Ausdruck.

Es offenbart sich, dass die vielen Leben der Seelen-Verkörperungen dazu
beitragen, Licht auf ein bestimmtes Forschungsfeld zu werfen. Die verkörperten Seelen “leben” praktisch die Erforschung des Einflusses von Handels-, Geschäfts- und Besitz- bzw. Finanzhierarchien auf Empfinden, Gefühlsleben, Wahrnehmungs- und Unterscheidungs-vermögen sowie Erkenntnisfähigkeit ihres Menschseins.

Sie erfahren als freiwillig oder eher unfreiwillig Forschende den Einfluss
der hierarchischen Verhältnisse und der damit verbundenen Existenzbe
dingungen auf ihren Enthusiasmus, ihren Idealismus, ihre Hingabefähigkeit und ihre spirituelle Entwicklung, auf die Entfaltung ihrer Individualität und ihrer Kreativität, ja auch auf ihre Energiezustände und damit ihre Gesundheit.

Doch wir, die jetzt Lebenden, sind dazu aufgerufen, aus diesem Seelenforschungsprojekt, aus diesen Lebens-Geschichten der Vergangenheit, unsere Schlüsse zu ziehen für unsere Gegenwart und unsere Zukunft und die Zukunft der Menschheit, worauf im Nachwort mit dem Ausblick “Menschheit 2.500“ noch einmal nachdrücklich eingegangen wird.

[Die Erzählerin Elisa ist nach dem Tod ihres Sohnes in die Mongolei gereist, wo sie in einem buddhistischen Kloster Belehrungen des Mönchs Tenzin zuhört:]

„Wir haben uns als Menschen in den Inhalten unseres Geistes verfangen und wissen nicht wirklich, wer wir sind. Wir haben die Natur des Geistes, unsere wahre Identität, aus den Augen verloren, obwohl sie die einzig wirkliche Grundlage aller inneren und äußeren Erscheinungen ist, und alles, was existiert, keine von ihr getrennte Eigenständigkeit besitzt.

Wir aber identifizieren uns mit bestimmten Geistesinhalten und
lehnen andere ab, halten zeitgebundene Dinge für absolut, und das Absolute für unwirklich. Doch unser vermeintlich solides Ich oder Selbst ist selbst nur einer der unzähligen Blickwinkel des Geistes. Wir können sagen, Geist bringt alles hervor und interpretiert es dann auch noch von verschiedenen Standpunkten aus.“

Tenzin schwieg eine Weile, um Georg die Gelegenheit zu geben, seine Worte zu übersetzen. Dann ging Tenzin durch den Innenhof in den Seminarraum neben der Klosterbibliothek und sagte: „Morgen Vormittag finden wichtige Belehrungen statt.“ Georg erklärte: „Man nennt diese Klosteranlage auch Energie-Zentrum. Hier werden neben Ausbildungsseminaren Rituale durchgeführt, um bestimmte Kräfte, Energien und spirituelle Gelassenheit zu erlangen.“

Am nächsten Morgen im Seminarraum saß Georg neben Elisa auf einer der langen Holzbänke. Der Raum füllte sich mit Mönchen in roten Roben und mit ausländischen Seminarteilnehmern. Bunte Stoffstreifen hingen neben buddhistischen Bildern an den Wänden.

Tenzin saß im Schneidersitz vor einem Stapel Sutras und las in den Texten der Lehren. Er blickte in die Runde und erklärte: „Der Geist ist der König, der beides erschafft, Samsara und Nirvana. So heißt es in den Lehren, doch was bedeutet das?
Der Geist erschafft sowohl die Welt des Leidens und der Verwirrung, wie auch auch die der Glückseligkeit und Klarheit. Woran aber liegt es, welche Welt wir erfahren?”

Tenzin blickte erneut in die Runde und sah Elisa an. Er lächelte und hielt seine Hand über seinen kahlgeschorenen Schädel: „Wir müssen zwischen der wahren Natur des Geistes und dem bedingten Geist unterscheiden, oder anders ausgedrückt, zwischen dem Geist der alles durchdringenden völligen Offenheit, der unendlichen Kreativität, natürlichen Intelligenz, und dem konditionierten Geist, der sich in seinen eigenen Inhalten verfangen hat und stets auf der Grundlage nichthinterfragter Vorwegannahmen aus der Vergangenheit operiert, die er in die Zukunft projiziert.“

Tenzin stand plötzlich auf und rannte einige Augenblicke kreuz und quer durch den Raum, wobei er sich torkelnd von einer Seite auf die andere fallen ließ:
“Wie ein Blatt im Wind werden wir von unzähligen Sichtweisen herumgewirbelt, ohne zu wissen, wer wir wirklich sind. Getrieben von unseren Identifikationen, unseren Glaubenssätzen, die sich unerbittlich ihrer eigenen Logik und Kausalität bedienen und uns von einem Leben ins nächste treiben, immer auf der Suche nach dauerhafter, ultimativer Erfüllung, die sich nie einstellt.”



Tenzin ließ sich wieder nieder und hielt inne.
Elisa nahm für einen kurzen Moment eine unglaublich erfüllende, alles durchdringende Stille wahr, begleitet von einem Gefühl der Leichtigkeit und dem Eindruck leuchtender Transparenz aller sichtbaren Erscheinungen. Sie schüttelte verwundert den Kopf. Tenzins Stimme durchdrang den Raum:

„Nie? Wir haben als Menschen immer die Chance, die wahre Natur aller Dinge, die in allen Phänomenen ruht, und die auch unsere wahre Natur ist, zu erkennen und zu lernen, mehr und mehr in ihr zu verweilen. Wir können sie erkennen, wenn wir uns nicht von der Beschaffenheit der vielfältigen Erscheinungen ablenken lassen, ihnen keine eigenständige Existenz zuschreiben, sondern statt dessen in der reinen Präsenz sind, die die Essenz jeder Erfahrung ist.

Es gibt vielfältige Methoden und Mittel für unterschiedliche Situationen und Gegebenheiten, die es uns ermöglichen, diese zeitlose Präsenz zu erkennen und das Verweilen in ihr aufrechtzuerhalten. Wir sind dann in der Lage, alle Erfahrungen in die zeitlose Präsenz zu reintegrieren, d.h. die Gleichzeitigkeit von zeitlichen Erscheinungen und zeitloser Präsenz, ihre Ungetrenntheit voneinander wahrzunehmen.”

Er schwieg für einige Momente. Wieder fühlte sich Elisa von einem Gefühl überirdischer Leichtigkeit durchflutet. Tenzin machte eine abrundende Geste:
„Wir sind reine Bewusstheit, die wahre Natur des Geistes, die unerschütterbare und unzerstörbare zeitlose Präsenz. Dies zu erkennen und in jedem Moment in dieser Erkenntnis zu sein, ist der Sinn des Lebens und dauerhafte Erfüllung.”

Elisa fragte sich, wie es möglich sei, diese Erkenntnis im Alltagsleben zu haben und zu erhalten. Als habe er ihre Gedanken gelesen, fuhr Tenzin fort: „Das Wichtigste ist, unsere eigenen Bedingungen und Fähigkeiten genau zu kennen, um die am besten geeigneten Methoden zu wählen, die eigene wahre Natur zu erkennen und mehr und mehr in ihr zu verweilen, bis wir schließlich dauerhaft in ihr ruhen. Das ist alles.“

Tenzin schwieg für einige Zeit und fuhr dann fort: „Um aber das Ganze wirklich tiefgreifend zu verstehen, ist es nötig, es von verschiedenen Ausgangspunkten her und in unterschiedlichen Darstellungsweisen, zugeschnitten auf die Fähigkeiten und den Zustand des jeweiligen Menschen, immer wieder zu hören, zu betrachten und auch entsprechende Übungen zu praktizieren.

So können die Menschen auf dem Pfad wahrer Erkenntnis voranschreiten und vollständige Befreiung aus den letztlich immer unbefriedigenden, sprich leidvollen Kreisläufen relativer und somit zeitgebundener und bedingungsabhängiger Seinsweisen, zu erlangen.“

Tenzin beendete seine Belehrungen. Elisa war tief beeindruckt, hatte aufmerksam zugehört, aber nicht alles wirklich verstanden, und Georg erklärte: „Diese Erläuterungen brauchen eine gewisse Zeit, um sie zu verstehen, sie zu verinnerlichen.“

  1. Das Vermächtnis, Dokumentation einer Erkenntnisreise (2020)
    Das Buch kann in der Printausgabe (Paperback, 438 Seiten, mehr als 40 farbige Bilddrucke) für 19,90 Euro bestellt werden ↩︎